Blog

Ein Tagebuch für die Liebe

Wolfsmehl meets Theaterklasse der APMSG

Er arbeitete mit bekannten Künstlern wie Ben Becker und Didi Hallervorden, produzierte zahlreiche Bühnenstücke und Hörspiele und realisierte Theaterprojekte mit Kindern: Wolfsmehl, ein vielseitiger Autor und Theatermacher. Er ist Mitglied im Friedrich-Bödecker-Kreis, einer Organisation, die bundesweit Schreibwerkstätten, Autorenbegegnungen und Lesungen fördert. Sein Engagement gilt Schulprojekten – aktuell an der Anna-Pröll-Mittelschule in Gersthofen. Dort erarbeitete er mit Siebtklässlern das Stück „Ein Tagebuch für die Liebe“, in dem auch die Namensgeberin der Schule eine zentrale Rolle spielt. Das Stück richtet sich gegen Hass und Radikalismus.

Nachdem die Proben nicht zum gewünschten Erfolg führten und das Projekt auf der Kippe stand, sprangen die Fünftklässler der Theaterklasse unter der Leitung von Daniela Otto ein. Das Drehbuch wurde für die jüngeren Kinder abgeändert und jeder, der eine Rolle wollte, bekam eine. Letztlich spielte die ganze Klasse mit.

Die monatelange Vorbereitung wurde belohnt: Der große Auftritt in der Stadthalle Gersthofen stand bevor. Die Lehrerband sorgte zu Beginn der Veranstaltung für musikalische Unterhaltung, die Tanz-AG unter der Leitung von Sandra Kauer zeigte im Vorfeld ihr Können.

Worum geht’s?

Das Stück spielt an der Gersthofer Schule und erzählt die Geschichte von Anna und Robert, zwei Schülern, die sich verlieben. Doch Robert gerät unter Druck einer Gang beizutreten, die Hass und Ausgrenzung verbreitet. Manipuliert von den anderen, verliert er seine eigene Persönlichkeit und wird zu einem willenlosen Roboter. In ihrer Verzweiflung beginnt Anna, ein Tagebuch an die Widerstandskämpferin Anna Pröll zu schreiben, die sich Zeit ihres Lebens gegen Ungerechtigkeit einsetzte. In einer Zeit, in der zwischenmenschliche Liebe und Werte in den Hintergrund rücken, setzt dieses Theaterstück ein starkes Zeichen.

Die Theaterklasse der APMSG

Durch Übungen und schauspielerische Techniken lernen die Kinder, ihre Rollen lebendig werden zu lassen. Dabei wird nicht nur das Textlernen gefördert, sondern auch Ausdruck und Körpersprache.

Neben den normalen schulischen Verpflichtungen probten die Kinder kurz vor der Aufführung fast täglich. „Es ist schön zu sehen, wie sehr sie in ihren Rollen aufgehen und selbstbewusster werden“, sagt Daniela Otto stolz. „Jede und jeder bringt etwas Einzigartiges in die Aufführung ein.“

 

„Theater stärkt das Selbstbewusstsein“

Ein Interview mit Daniela Otto, Lehrerin der Anna-Pröll-Mittelschule Gersthofen und Leiterin der Theaterklasse

Frau Otto, Sie leiten die Theaterklasse an der Anna-Pröll-Mittelschule. Wie kam es zu diesem Projekt?

Ich bin schon lange begeistert vom Theaterspielen und habe schnell gemerkt, wie positiv es sich auf die Schüler auswirkt. Deshalb habe ich mich weitergebildet, an verschiedenen Fortbildungen teilgenommen. Schließlich entstand die Idee, eine Theaterklasse ins Leben zu rufen, in der die Kinder über einen längeren Zeitraum intensiv an einem Stück arbeiten.

 

Was macht die Theaterklasse besonders?

Unsere Klasse ist mehr als nur eine AG – wir tauchen tief in die Welt des Theaters ein. Die Schüler*innen lernen nicht nur Texte auswendig, sondern üben Ausdruck, Körpersprache und Bühnenpräsenz. Jeder bringt seine individuellen Stärken ein. Die Theaterstunden sind Teil des Stundenplans sowie Mathe, Deutsch usw.

 

Wie laufen die Vorbereitungen für ein Theaterstück ab?

Es beginnt mit der Stückauswahl. Ich lasse die Kinder dabei demokratisch mitentscheiden. Sie sollen ja auch richtig Lust darauf haben. Entweder schreiben wir selbst ein Drehbuch oder wir ändern ein bekanntes literarisches Stück gemeinsam passend ab. Die Kinder dürfen sich dann selbst ihre Rollen aussuchen, so dass sie sich mit der Geschichte identifizieren können. Danach werden die einzelnen Szenen in Kleingruppen geübt. In unserem nächsten Projekt werden die Hauptrollen von verschiedenen Kindern gespielt. Jede Kleingruppe ist für zwei bis drei Szenen verantwortlich. Der Text wird improvisiert und sehr knapp gehalten. Requisiten, Raum, Licht und alle weiteren theatralen Mittel werden mit dem Text gleichgesetzt. Selbstverständlich spielen wir auch zu Beginn jeder Stunde, um die Schüler spielerisch mit den verschiedenen theatralen Möglichkeiten vertraut zu machen und das Gruppengefühl zu stärken. Dieses muss in einer Theaterklasse noch viel stärker sein als in anderen Klassen.

 

Was ist die größte Herausforderung für die Schüler*innen?

Den unterschiedlichen Ideen, Interessen und Bedürfnissen gerecht zu werden und im Drehbuch einen Platz zu geben. Es ist extrem wichtig, dass die Kinder ihre Motivation nicht verlieren.

Zudem haben besonders introvertierte Kinder anfangs Hemmungen, vor Publikum zu sprechen oder in eine andere Rolle zu schlüpfen. Doch mit der Zeit wachsen sie über sich hinaus. Das ist für mich als Lehrerin ein besonderer Moment.

 

Wie bringen Sie sich als Lehrerin weiter in das Thema ein?

Ich habe verschiedene Theaterpädagogik-Fortbildungen besucht. Gerade nehme ich an einer Fortbildung (Zusatzqualifikation „Theaterlehrerin“) an der Lehrerakademie in Dillingen teil. Außerdem lasse ich mich regelmäßig von verschiedenen Theateraufführungen und Kinderbücher inspirieren, um neue Impulse in den Unterricht einzubringen.

Was bedeutet Ihnen persönlich diese Arbeit?

Sehr viel! Theater ermöglicht es, Emotionen auszudrücken, Geschichten zu erzählen und sich selbst neu zu entdecken. Die Schüler zeigen in den Theaterstunden weitaus mehr als in den „normalen“ Unterrichtsstunden. Da stehen dann oft ganz andere Kinder vor mir, die über Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen, die ich vorher nicht an ihnen sehen konnte. All das was sie in den Theaterstunden lernen, können sie hinterher sowohl schulisch als auch im Alltagsleben nutzen. Beim Referat halten stehen sie plötzlich sehr selbstbewusst vor der Klasse und später halten sie womöglich vor einer großen Gruppe von Kollegen gelungene Vorträge. Sie erwerben wichtige Schlüsselqualifikationen; so werden sie ausdrucksstark, überzeugend und sind auch in der Lage in der Gruppe zu arbeiten. Es ist eine wertvolle Erfahrung für die Kinder, die sie oft ein Leben lang prägt.

 Vielen Dank für das Gespräch!

 

Artikel und Interview: Melina Drüssler, Anna-Pröll-Mittelschule Gersthofen